Kirchen und Kapellen

Kapelle Muttergottes in der Not

Werl

Marienkapelle mit Garten

Eine Marienkapelle und ein geschlossener Garten. Wohlgemerkt: kein Vorgarten, kein Abstandsgrün, keine Spielfläche. Kein Nutzgarten und auch keine nützliche Fläche. Ein Garten mit Eingangstor und mit Mauern, mit Wegen und Ruhebänken. Der geschlossene Garten, der HORTUS CONCLUSUS, ist ein Mariensymbol, ein Bild ihrer Jungfräulichkeit, – auf vielen mittelalterlichen Bildern gemalt, – in Werl sogar gebaut!

Beschreibung

Die Kapelle Muttergottes in der Not liegt an einer Straßenecke, etwa dort,
wo früher ein Stadttor stand. Das Gebäude in neuromanischen Formen besitzt einen regelmäßig achteckigen, aber in Querrichtung gelängten Grundriss, darauf ein Walmdach und genau in der Mitte einen eckigen Dachreiter.
Die Wände aus Grünsandstein sind durch Bogenfries und Gesimse horizontal gegliedert. Zwei aufwendige Portale mit Säulchen, Schmuckgiebel und Reliefbildern (Hl. Familie / Rosenkranz-Gabe) bestimmen die Straßenseite,
in der Mitte aber ein kleiner Vorbau, eine Gebetsnische mit seitlichem Zugang.
Tritt man ein, findet man auf der anderen Seite des achtseitigen Raumes eine zweite Nische mit Säulenrahmung: Das ist der Platz für das verehrte Marienbild.
Der Raum besitzt einen Fliesenboden aus der Bauzeit, rundbogige Fensterpaare mit oberem Kreisfenster und ein regelmäßiges Gewölbe aus zwölf Feldern und zwei Schlussringen.

Liturgie und Raum

Die Kapelle Muttergottes in der Not ist ein Ort des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebetes im Angesicht des verehrten Marienbildes.
So erklären sich die kompakte Bauform, die äußere Gebetsnische und die Säulenrahmung. Das Marienbild war ursprünglich in der Nische mit einem neuromanischen Wandaltar verbunden (nicht erhalten). Ein vorgerückter Holzaltar auf einer neuen Stufe ist heute für die Feier der Hl. Messe in heute verbreiteter Ordnung aufgestellt.

Ausstattung

Zentrales Ausstattungsstück der Kapelle ist die farbig gefasste Holzskulptur der hl. Maria mit dem Leichnam Christi (Muttergottes in der Not) aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 
In typisch barocker Haltung präsentiert Maria ihren toten Sohn, gleichzeitig wachsen beide Gestalten souverän zu einer einheitlichen Bildfigur zusammen.
Die frühere Ausmalung des Raums ist verloren.
 
Die Verglasung entstand 1951 nach Entwurf des Werler Kunstmalers Christian Göbel.
Sie zeigt die sieben schmerzhaften Ereignisse aus dem Leben Mariens sowie ihre Krönung. Die kleinen, emaillierten Kreuzwegbilder arbeitete Bruder Notker Becker OSB, Maria Laach.

Von der Idee zum Bau

Der Überlieferung nach soll das verehrte Marienbild in einer Wandnische des Stadttores gestanden haben. Nach Abriss des Tores entstand wohl die kleine Bildstock-Kapelle, die sich schräg vor dem heutigen Bau auf der Verkehrskreuzung befand. Vermutlich machte der steigende Verkehr im Jahre 1900 eine Verlegung der Kapelle notwendig. Mit dem großzügigen Neubau entstand ein weiterer attraktiver Ort der Marienverehrung in Werl, der von Einheimischen wie von den zahlreichen Werl-Pilgern aufgesucht wurde. Ein Ort mit einem Garten.

Der Architekt Wilhelm Sunder-Plaßmann

Wilhelm Sunder-Plaßmann (1866–1950), Architekt in Soest und Münster, ausgebildet an der Baugewerkschule in Höxter sowie an den Hochschulen in Berlin-Charlottenburg und in Karlsruhe, ab 1925 Dombaumeister in Münster, war Spezialist auf dem Feld des Kirchenbaus und errichtete in Westfalen und im Emsland über vierzig Kirchenbauten nach eigenen Entwürfen. In Werl entstanden nach seiner Planung auch das Krankenhaus (1902–03) und die neue Wallfahrtskirche (Basilika, 1903–06).

Literatur

Best, Gerhard: Wallfahrt und Heiligenverehrung in Werl. Münster 1990.

Otten, Heinrich: Architektur und Kunst der Wallfahrt nach Werl. In: 350 Jahre Marienwallfahrt Werl 1661–2011, S. 289–348, hier S. 304–307.

Text und Fotos: Dr. Heinrich Otten