Kirchen und Kapellen

Altenheimkapelle St. Michael

Werl

Werls einziger Zentralbau
Die Kapelle St. Michael im gleichnamigen Caritas–Seniorenzentrum kommt mit ungeahnten Superlativen daher: einziger Sakralbau in Werl mit Flachdach, einziger Sakralbau ohne Turm, einziger Zentralbau, einziges Bauwerk mit Betonwaben und mit Rasterdecke. Anders ausgedrückt: Die achteckige Kapelle des Architekten Otto Weicken von 1969–71 ist das einzige Gotteshaus in Werl, das in Architektur und innerer Ordnung umfassend mit traditionellen Mustern bricht.

Beschreibung


St. Michael ist ein flaches achteckiges Volumen im Vorfeld der hohen Bauflügel des Altenheims. Die Kapelle tritt bis fast an die Straße vor. Ein zweiseitig verglaster Zwischenraum (mit Zugang von außen) verbindet das Altenheim mit der regelmäßigen Achteckkapelle, deren vier orthogonale, geschlossene Wände breiter sind als die vier diagonalen Wände aus Betonwaben. Diese Formsteine aus Beton übernehmen in ihren achtseitigen Öffnungen den Grundriss der Kapelle. Eine umlaufende Attika aus Sichtbeton bindet alle acht Seiten zusammen. Das 2010 ergänzte Wandkreuz aus Edelstahl zeigt schon außen die sakrale Bestimmung.

Den Innenraum prägt das Zusammenspiel von einheitlichen Flächen und gerasterten Abschnitten: In homogener Einheitlichkeit erscheinen die vier weißen orthogonalen Innenwände und der Bodenbelag aus hellem Naturstein. Einem Raster folgen die Betonwaben der vier diagonalen Seiten und die abgehängte Decke aus regelmäßigen quadratischen Modulen. Es ergibt sich ein richtungsloser Zentralraum, der jedoch funktional durch die doppelflügelige Zugangstüre und die um eine Stufe angehobene Altarzone eine axiale Ausrichtung bekommt.

Liturgie und Raum

Die Kapelle St. Michael ist der einzige konsequent nachkonziliare Kirchenraum in Werl, der die veränderten liturgischen Vorstellungen des II. Vatikanischen Konzils (1962–65)  teils schon im Bauentwurf umsetzt. Dazu zählen die kompakte Ordnung des Gestühls vor einer nur um eine Stufe erhöhten Altarzone, der vorgerückte Altartisch zur Zelebration der hl. Messe zur Gemeinde hin und die Trennung des Tabernakels vom Altar. Nicht realisiert wurde in St. Michael eine dreiseitige Gruppierung der Gemeinde um den Altar, vielmehr betont die liturgische Ordnung den Gedanken der funktionalen Achse im zentralen Raum.

  Ausstattung
Die künstlerische Ausstattung der Kapelle ist im ursprünglichen Zustand überliefert. Nach der vorliegenden Bauakte wurde der Lippstädter Bildhauer Bernhard Gohla mit der Ausstattung betraut. Von ihm dürften Altar, Hängekreuz, Tabernakel und die Schutzmantelmadonna stammen. Bemerkenswert ist die silberfarbene Front des Wandtabernakels: ein diagonales Quadratraster als überzeugende Interpretation eines Formprinzips des Gebäudes. Das Hängekreuz von Gohla umfasst die zeittypisch rauen Materialflächen: Balken aus Eichenholz, unregelmäßig ausgebrochene Bergkristalle und ein Kruzifix aus wenig geglätteter Bronze. Die Rückseite zeigt das Lamm Gottes.

Die Stationsbilder des Kreuzweges aus Metallguss sind ein Werk von Joseph Wäscher aus Werl (1974). Die Marienfigur mit Kind (Holz, farbig neu gefasst) stammt vermutlich aus dem schweizerischen Kunstkreis und dürfte im 16. Jahrhundert entstanden sein. Die Medaillon–Zeichnung auf milchigem Glas in den Betonwaben entstand nach Entwurf von Dr. Egbert Lammers (Werl), ausgeführt von der Werkstatt Otto Peters aus Paderborn.

Von der Idee zum Bau

Unter dem Namen Antoniushaus bestand in Werl ein kleines Altenheim, das von der  Maria–Anna–Heese’sche Stiftung betrieben wurde. Diese Einrichtung in der Neuerstraße (Ecke Krummestraße) entsprach nicht den Anforderungen eines zeitgemäßen Betriebes und stand einer (später nicht ausgeführten) Straßenplanung im Weg. So konzipierte man ab 1968 einen großformatigen Neubau am südlichen Stadtrand auf einem Grundstück der Propsteigemeinde, betrieben vom Verein für Caritasheime, heute Caritas Altenhilfe im Erzbistum Paderborn gem. GmbH. Die äußere Erscheinung von Heim und Kapelle wurde 2009/10 renoviert.

Der Architekt Otto Weicken

Otto Weicken aus Unna (geb. 1911) war ausgewiesener Spezialist für den Bau von Kirchen und galt im Erzbistum Paderborn in den 1950er und 1960er Jahren als Architekt von tendenziell fortschrittlichen Lösungen. Beispiele sind Hl. Dreifaltigkeit in Iserlohn (1957/58) oder Hl. Familie in Dortmund–Brünninghausen (1961/62). Mitte der 1960er Jahre wandelte sich das Profil des Büros. Man errichtete bevorzugt großformatige Krankenhäuser und Altenheime, oft mit vorgelagerten Kapellen. Am Marienhospital in Iserlohn–Letmathe entstand 1966–67 eine Achteckkapelle ähnlich St. Michael in Werl.

Literatur

Festschrift 25 Jahre St. Michael Altenheim. Eine Einrichtung des Vereins für Caritasheime des Erzbistums Paderborn e.V. o.O., o.J. (1996).

Rohrer, Amalie: Die großen Stiftungen des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Werl, Geschichte einer westfälischen Stadt, Bd. 2. Paderborn 1994, S. 1039–1056, hier S. 1047.

Text und Fotos: Dr. Heinrich Otten